
Eben hatte ich ein Vorstellungsgespräch und bereits im Gespräch hat man mir gesagt, dass wir beide nicht miteinander glücklich werden würden. Die Frau war nett, sie sagte, sie wolle lieber ehrlich sein.
Es begann damit, dass ich von mir erzählen sollte, also davon, warum ich Deutschland verlassen habe: weil ich Freiheit suchte und erleben wollte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Idee, dass das Gefühl von Freiheit sich am besten auf dem Rücken eines Pferdes, durch die Steppe galoppierend, erleben ließe. Genau dieses Gefühl habe ich in der Mongolei gefunden und in verschiedenen Ländern, z.B. auch galoppierend am Strand in Brasilien, erlebt. Nachdem ich dieses Gefühl aber ausgiebig genossen habe, wollte ich Freiheit anders erleben.
Der Job war auf einem Segelschiff, das durch die Karibik segeln würde. Wind und Sonne im Gesicht, dabei die Wellen und Weite des Ozeans sehen. Das waren meine neuen Idealvorstellungen. Im Gespräch wurde ich dann „abgeholt“ bzw. runtergebracht. Für die Crew bedeutet dieses Leben das Gegenteil von Freiheit, nämlich eingezwängt sein in ein Korsett. Der Druck käme von oben, 7 Tage die Woche, 12/13 h am Tag. (Für 1600-2300€ brutto) Die Sonne scheint draußen und man verbringt den ganzen Tag unter Deck. Sie sagte, es sei jetzt schon klar, dass sich meine Persönlichkeit nicht in dieses Konzept würde pressen lassen. Ich frage mich, welche Persönlichkeit man braucht, um das auszuhalten?
Es ist spannend für mich, denn das ist das zweite Mal in kurzer Zeit, dass „normal“ mit „klein und angepasst“ verbunden wird.
Dass es das ist, was man sich wünscht und was erwartet wird.
Ein persönliches Wachstum (als Mensch) wird in Deutschland weder gefördert noch gewünscht, weil man nicht mehr so leicht kontrolliert werden kann. Das haben früher auch einige Vorgesetzte von mir feststellen müssen. Ich bin Single bzw. auch wenn ich es nicht war, so war ich nie finanziell verantwortlich für andere. D.h. ich war nie erpressbar. In einem meiner früheren Jobs habe ich aber die Machtspiele gesehen, die der Geschäftsführer mit meinen männlichen Kollegen geführt hat. Die Drohung, den Arbeitsplatz zu verlieren, hat viele dieser Kollegen dazu veranlasst, ihre „Eier“ freiwillig abzugeben und sich mehr gefallen zu lassen, als es zumutbar gewesen wäre. Ich denke, dass in jeder dieser Handlungen der Selbst-Respekt zum Wohle des Arbeitsplatzerhalts bzw. der finanziellen Versorgung der Familie geopfert wurde. Ohne Selbst-Respekt ist man leicht kontrollierbar. Ohne Alternativen läßt man sich in Korsette zwängen, die fast schon unmenschlich wären.
Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich habe eine kleine Geschichte gehört: Würde man einen (lebendigen) Frosch in heißes Wasser werfen, so würde er sofort herausspringen. Setzt man ihn aber in kaltes Wasser, das man langsam erwärmt, so würde er sitzen bleiben, bis er stirbt.
In Deutschland bleiben die Leute sitzen, bis sie sterben.